Ein Widerstreit unvereinbarer Kräfte?


Die Fragen, die Reinhard Wöllmer beschäftigen, sind werkimmanenter Natur. Was ist Figur und was ist Grund? Handelt es sich um Zeichnungen, Malerei oder um plastische Werke, dominiert die Fläche oder der Raum, gibt es noch ein Zentrum oder verlagert sich das Gewicht zunehmend in die Peripherie? Bei den aktuellen Werken Wöllmers ist ein Ringen der künstlerischen Verfahren zu beobachten.

Da allen Aspekten die gleiche Intensität zuteil wird, entstehen Arbeiten, die völlig gegensätzliche Qualitäten in sich vereinen. Allein der plastische Aufbau von Objekten wie Struktur radial zeigt, welche Oberflächenspannung und Körperhaftigkeit aus dem Zusammenspiel zweier sanft gekrümmter Schalen entsteht. Mit der linearen Abfolge konzentrischer Kreise baut Wöllmer hier aber auch eine grafische Präsenz auf, die ihrerseits von leuchtenden Farben überstrahlt wird. Diese zeichnerischen und malerischen Verfahren konkurrieren wiederum mit der zentralen Öffnung, die den Blick fokussiert und die Tiefenräumlichkeit des Objektes nachdrücklich unterstreicht. Bei einigen Farbraumreliefs hingegen verstört das Zusammentreffen zarter, sich nebelhaft verdichtender oder auflösender Farbauren
mit den scharfen Linien des Objekts. Der Abglanz der Farben auf einer anderen Entität, der Wand, erinnert mit all seinen sinnlichen Qualitäten auch an Naturphänomene wie Polarlichter.

Diese immateriellen Schimmer kontrastieren mit der strengen Formgebung des realen Objekts. Auch wir, die Betrachter, schwanken zwischen Kontemplation und systematischer Untersuchung, wir bewegen uns in Spannungsfeldern, die uns zur intensiven Beschäftigung mit dem Oeuvre Reinhard Wöllmers einladen, um gleichsam die Konditionen des eigenen Wahrnehmens zu analysieren.



Autorin:
Christiane Lischka-Seitz studierte Kunstgeschichte, Christliche Archäologie und Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg
2000 - 2004 freie Mitarbeit am Neuen Museum - Staatliches Museum für Kunst und Design in Nürnberg
2004 - 2012 Gründungsleiterin des Museums Lothar Fischer
in Neumarkt i.d.OPf.

Als Autorin und Kuratorin tätig

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